Artikel: Wie wir eine Organisation aufbauen, die wirklich die Welt verbessert

Wie wir eine Organisation aufbauen, die wirklich die Welt verbessert
Wie wir eine Organisation aufbauen, die wirklich die Welt verbessert
Wo Paul und ich, Georg, als Habenichtse Anfang 20 Schulden im 5-stelligen Bereich aufgenommen haben, um diese Idee von plastikfreien Trinkflaschen, die viele weder verstanden noch guthießen, umzusetzen? Wo wir die letzten 3 Jahre unser komplettes Herzblut in den Aufbau von soulbottles gesteckt haben, ohne Urlaub, und mit einem Gehalt, das nach einem Jahr gerade mal die Miete gezahlt hat – und sich dann für fast 2 Jahre erstmal nicht vom Fleck bewegte?
Wo wir mit dem 1€ pro Trinkflasche ca. 8-9% unseres Umsatzes an Trinkwasserprojekte spenden, selbst wenn wir dabei Verlust machen?
Wo wir alles in unserer Macht stehende tun, Werte wie Wertschätzung und Unterstützung, Ehrlichkeit und Empathie im Alltag zu leben? Nicht nur auf irgendein Papier schreiben, sondern wirklich versuchen, jeden Tag im Team und mit Partnern und Kunden zu leben?
Die ersten Minuten schwankte ich zwischen Wut „Was ist das denn für eine selbstgerechte Schnepfe?! Die hat doch keine Ahnung wie teuer es ist, alles in Europa zu produzieren, statt billig in China einzukaufen! Die sollte mal auf meinen persönlichen Kontostand schauen, dann hätte sich das aber GANZ schnell!“ und Schuldgefühlen. „Sind wir wirklich so fiese Geschäftsleute? Ist unsere Marge vielleicht doch noch ein bisschen zu hoch? Wir können uns mittlerweile Gehälter um die 1.000€ netto auszahlen, wovon man Berlin ganz okay leben kann, zumindest wenn man jünger als 30 ist. Vielleicht hat sie ja recht, und diese neue finanzielle Leichtigkeit ist ein Zeichen dafür, dass wir uns zu viel gönnen?“
Durch das Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, bekomme ich bei jeder Kritik erstmal Schuldgefühle, wie ein Pawlow’scher Hund, der in Freiheit langsam wieder lernen muss, dass beim Klingeln einer Glocke nicht unbedingt Essen kommt.
Die Schuldgefühle und der dazugehörige Gedankenwust hatten also erstmal nichts mit der Realität zu tun, ebenso wenig die Wut. Sondern mit alten Mustern. Ich wusste: Ich komme nur weiter, wenn ich konkret anwende, was ich in den letzten 5 Jahren gelernt habe, nämlich diese Urteilsausbrüche erstmal anzunehmen, sie also nicht nochmal zusätzlich zu verurteilen.
Statt „Was bin ich nur für ein schlechter Mensch, dass ich so viel Wut und Schuldgefühle habe“ zu denken, wollte ich dahinter meine Verletzlichkeit zu erspüren. Was durch mein Training der letzten 5 Jahre mittlerweile ziemlich schnell und reibungslos geht. In dem Fall hat das ungefähr 10 Minuten gebraucht. Vor ein paar Jahren wären das mindestens ein paar Tage gewesen.
Was sich dann eine Ebene tiefer zeigte, war vor allem Traurigkeit. Schmerz darüber, dass das, was wir tun, all das Herzblut nicht gesehen wird, das wir darin stecken, wirklich auf neue Art zu wirtschaften, und eine Organisation zu bauen, die die grüne, gerechte und glückliche Welt, die wir uns alle ersehnen, jetzt schon versucht zu leben.
Ich war auch traurig darüber, dass ich und wir im Team noch nicht viel dafür getan haben, diese innere Haltung, die ich in dieser Radikalität noch in keinem anderen Unternehmen gesehen habe, nach außen sichtbar zu machen.
Ich kann das Misstrauen bei Öko-Produkten nämlich sehr gut nachvollzieren. Es gibt genug Firmen, die sich einen grünen Anstrich geben und dann für ihre Produkte viel Geld verlangen, ohne wirklich grün und ethisch zu produzieren. Ohne es wirklich ernst zu meinen. Und woher soll jemand, der das erste Mal die Flasche und dann den zugehörigen Preis sieht, erfahren, dass wir es wirklich ernst meinen, wenn wir nichts darüber erzählen?
Dieser Artikel ist ein Schritt, das zu ändern. Und soll dir erste Hilfestellungen geben, dich auch auf so einen Weg zu machen. Wenn dich unser Weg denn anspricht. ;)
Wie wir versuchen, die Welt unserer Träume jetzt schon zu leben.
1. Die 4 Quadranten einer Organisation
Bevor wir einsteigen, erkläre ich euch eine kleine mentale Landkarte, die mir sehr hilft, zu analysieren, wie weit wir bei soulbottles auf verschiedenen Ebenen sind, und wo wir am effektivsten ansetzen können, um noch mehr zur radikal weltverbessernden Organisation zu werden: Die 4 Quadranten aus der integralen Theorie.
Nach der Erklärung zeige ich euch konkret, wo wir bei soulbottles schon gut sind und wo wir noch unsere Hausaufgaben machen müssen. Ein bisschen Theorie, danach lassen wir die Hosen runter. Die Theorie lohnt sich also. ;)
Bei der 4-Quadranten-Matrix geht es um die Kombination von 4 Parametern. Individuell und kollektiv, subjektiv und objektiv.
Daraus ergeben sich die 4 Quadranten:
Kurzes Beispiel: Einen Gedanken, der mir kommt, erlebe ich phänomenologisch (oberer linker Quadrant). Dieser Gedanke hat hirnphysiologische Entsprechungen (oberer rechter Quadrant). Der Gedanke entsteht vor dem Hintergrund meiner kulturellen Prägungen und Entwicklung und ist von diesen geformt (unterer linker Quadrant). Gleichzeitig ist dieser Gedanke auch geprägt und geformt von den sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen in denen ich lebe (unterer rechter Quadrant).
Auf Organisationen gemünzt, ergeben sich folgende Facetten.
Links-oben widmet sich der individuellen Innenansicht:
Wie geht’s dem einzelnen Menschen in der Organisation. Wie fühlt sie sich? Welche Hauptmotivation hat sie, dabei zu sein? Geld? Ruhm? Sicherheit? Sinn? Gemeinschaft?
Wie stark sind bestimmte Bedürfnisse erfüllt oder nicht erfüllt? Wie sehr sieht sie einen Sinn in dem, was sie tun? Wie stark ist sie intrinsisch, wie stark ist sie extrinsisch motiviert? Wie sehr fühlt sie sich mit anderen und mit sich selbst verbunden? Wie viel Liebe hat sie für sich selbst und für andere?
Es geht also um die Innenschau, die subjektive Betrachtung der einzelnen Person. Wie geht es ihr? Dinge, die man schlecht quantifizieren, sondern vor allem qualitativ ermitteln kann, wo man seine emotionalen Sensoren anschmeißen muss.
Rechts-oben widmet sich der individuellen Außenansicht:
Was für Fähigkeiten hat die einzelne Person? Wie groß ist ihr Beitrag zu den Ergebnissen der Organisation? Wie oft lächelt sie? Wie oft umarmt sie Leute? Wieviele E-Mails beantwortet sie pro Tag? Wieviel bewegt sie sich? Wie organisiert sie sich? Wie schnell lernt sie neue Dinge?
Wieviel Geld bekommt sie für ihre Arbeit? Was für einen Lebensstandard ermöglicht ihr das? Kann sie damit genug für’s Alter vorsorgen?
Also all die Dinge, die man wie eine Kamera von außen betrachten kann, und die allen quantified-self-Nerds und NLP-Addicts Glückstränen in die Augen treiben. Der äußere Ausdruck der inneren Erlebenswelt (links-oben).
Links-unten widmet sich der kollektiven Innenansicht:
Wie ist die „Kultur“ der Organisation? Wie ist die Stimmung intern? Wie läuft die Kommunikation bei Konflikten? Werden sie unter den Tisch gekehrt, schwelen lange vor sich hin und explodieren vielleicht irgendwann oder werden sie zügig angesprochen und vollends geklärt?
Gibt es eine gemeinsame Vision und wenn ja, wieviel emotionale Zugkraft hat sie?
Gibt es eine Kultur, in der Menschen dazu angeregt werden, sich 100% als Mensch, mit all ihren Stärken, Schwächen und Verletzlichkeiten zu zeigen? Oder herrscht eine Kultur vor, in der es vor allem darum, Gesicht zu wahren, keine Schwäche zu zeigen, und sich intern abzusichern? Basiert der Führungsstil auf Inspiration und vertrauensvoller Zusammenarbeit? Oder auf Druckmitteln und dem Angst-machen-vor-Konsequenzen?
All die „weichen“ Faktoren, die in der aktuellen Führungsdiskussion zum Glück immer mehr Beachtung finden, aber viel zu oft von all den anderen Quadranten getrennt betrachtet werden.
Rechts-unten widmet sich der kollektiven Außenansicht:
Was sind die Zahlen der Organisation? Wieviel Geld wird umgesetzt, wieviel Wareneinsatz wird dafür gebraucht, wieviel soulbottles werden pro Monat, pro Woche, pro Stunde verkauft und verschickt? Wieviel Geld wird für Marketing, für Personal, für sonstige Fixkosten ausgegeben? Was für ein Ergebnis steht am Ende des Geschäftsjahres? Wieviel Vermögen und Schulden hat die Organisation?
Was ist das Geschäftsmodell? Die Rechtsform? Wieviele Mitarbeiter hat sie? Was für einen sozioökonomischen Hintergrund haben diese, und zu welchen Anteilen? Wie ist die Altersverteilung, die Gender-Verteilung, die Integration und Repräsentation von Minderheiten? Wie ist die Entscheidungsgewalt innerhalb der Organisation verteilt? Wie laufen die Prozesse? Wie sieht das Organigramm aus? Wem gehört die Organisation?
Was ist der reale Beitrag der Organisation zur Welt? Was ist der Social Impact? Der CO2-Fußabdruck? Wie verhält sich die Organisation zur Öffentlichkeit?
Die 4-Quadranten-Matrix kann man über alle möglichen Arten von Menschengruppen legen, sei es eine Organisation, eine Familie, ein Land oder die gesamte Welt.
In vielen bestehenden Unternehmen wird der Fokus nur auf den Quadranten rechts-unten gelegt. Alles, was in Zahlen gemessen werden kann, „zählt“. Alles andere ist „nice to have“. Wenn’s hart auf hart kommt, werden alle Initiativen, die die Kultur oder den einzelnen Menschen betreffen, den Zahlen und dem äußeren Erfolg untergeordnet.
Diese Sichtweise gilt leider auch in vielen klassische NGOs. Es geht zwar um eine bessere Welt, aber die Ich-Quadranten und die Kultur sind untergeordnet. Daraus entspringen die vielen Horror-Geschichten von NGOs, in denen unterbezahlte Mitarbeiter reihenweise im Burnout landen oder Machtkämpfe ausbrechen, die nichts mehr mit der Sache zu tun haben.
Als Reaktion auf diese einseitige Sicht der Dinge, flüchten viele Menschen in Umgebungen, wo erst einmal nur die restlichen Quadranten zählen. Machen Yoga, besuchen Gewaltfreie Kommunikations- oder NLP-Seminare, machen viel Gruppen- und Selbsterfahrung. Irgendwann stößt jedoch auch das an seine Grenzen. Man versucht, diese anderen Quadranten in eine nur-rechts-unten-Organisation einzubringen – und scheitert üblicherweise.
Viele Menschen in Selbsterfahrungs-Kreisen bleiben an diesem Punkt leider stehen. Geben auf, arbeiten in einem Rechts-unten-Job, der sie nicht erfüllt, weil sie halt ihr Leben finanzieren müssen, und laden sich in Seminaren, wo dann nur die restlichen Quadranten zählen, wieder auf. Wenn’s gut läuft, machen sie sich als Seminarleiterin oder Yoga-Lehrerin selbstständig, um nur noch in den restlichen Quadranten zu leben. Und verteufeln oft bewusst oder unbewusst diese “leblose rechts-unten Welt”.
Dieses Entweder-Oder bringt uns der grünen, gerechten und glücklichen Welt nicht näher.
Viele NGOs und Social Businesses scheitern darin, ihre Wirkung in der Welt auf das nächste Level zu heben, weil sie alle Quadranten außer rechts-unten ignorieren.
Viele weise und gebildete Menschen tun nichts an der Änderung der Systeme, die so viele menschliche Bedürfnisse unerfüllt lassen, weil sie sich nicht zurück in den Quadranten rechts-unten trauen, in dem jedoch reale, angreifbare Veränderung passieren würde.
Wir brauchen alle 4 Quadranten gleichwertig.
Wir brauchen das Und.
Das Geniale ist nämlich, dass wenn wir alle 4 Quadranten gleichwertig mit einbeziehen, ein kraftvoller positiver Feedback-Loop entsteht.
Wenn ich als Organisation Räume aufmache, in denen Mitarbeiter sich zu 100%, ohne Maske, als Menschen begegnen können, sind sie glücklicher, empathischer, positiver und motivierter, sich für die Firma ins Zeug zu legen. Das wirkt sich positiv auf die Außenwirkung, auf die Beziehung zu Kunden und damit auch auf die finanziellen Ergebnisse aus.
Wenn sich Mitarbeiter alles sagen können, hilft das immens, Fehler und Probleme aufzudecken und gemeinsam aus ihnen zu lernen. Dieser um ein vielfaches schneller laufende Lernprozess bringt die positive Wirkung der Organisation im Außen immer wieder auf eine neue Stufe.
Wenn ich als Organisation meine Mitarbeiter in ihrer Weiterentwicklung unterstütze, auf fachlicher Ebene und der persönlichen, sind sie glücklicher, weil sie in ihrer eigenen Arbeit mehr Effizienz und Wirksamkeit erleben, und weil sie ihre Gefühle und Bedürfnisse besser kennen und alte Wunden und Glaubenssätze aufarbeiten, die sie noch daran hindern, das Leben voll zu leben.
Dadurch kommen sie auch nochmal intensiver in (Herz-)Kontakt mit ihren Team-Kollegen, was die Stimmung im Team verbessert und andere im Team ermutigt, sich noch mehr zu zeigen. Die erhöhte individuelle Effizienz und der nochmal verbesserte Kommunikationsfluss im Team wirkt sich wiederum positiv auf die konkrete Wirksamkeit und das finanzielle Ergebnis der Organisation aus.
Wenn ich eine Organisation so strukturiere, dass ihre Aktivitäten ein reales gesellschaftliches Problem lösen und sie sich dabei durch ein funktionierendes Geschäftsmodell selbst trägt, gibt mir das die Ressourcen, meine Mitarbeiter in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu unterstützen, und stärkt das Wir-Gefühl, weil nichts geiler ist, als mit Menschen, denen man sich verbunden fühlt, gemeinsam etwas zu (er-)schaffen – ganz besonders wenn dieses etwas die Welt grüner, gerechter und glücklicher macht.
Um diese Dynamik geht es uns bei soulbottles & soulwater.
2. Wo stehen wir bei soulbottles?
Links-unten
1) Meeting-Kultur
Dass wir „irgendwie anders“ sind, wird neuen Mitarbeiter*innen oder Praktikant*innen spätestens bei unserem „Personal Relations Meeting“ klar. Alle zwei Wochen treffen wir uns nachmittags für 2 Stunden bei einem von uns zu Hause, für ein moderiertes Meeting, in dem es nur um die Beziehungen im Team geht. (Herzlichen Dank dabei an unsere Haus-GFK-Trainer Kolja und Jonas, die uns dazu angeregt haben.)
Konflikte klären, Wertschätzung ausdrücken, sich erzählen, wie es einem gerade geht und wo man Unterstützung gebrauchen könnte. 5 Runden mit vorher festgelegten, moderierten Fragen**. Dieses Meeting hat folgende Vorteile:
Es gibt einen fixen Raum, „schwelende“ Konflikte, bei denen ein Anlass manchmal schwer fest zu machen ist, früh anzusprechen und zu klären. Dadurch staut sich nichts auf und wir können das Lernpotenzial, das in jedem Konflikt steckt, früh voll nutzen.
Dadurch, dass das Team immer wieder die Erfahrung macht, dass Konflikte geklärt werden können, passiert es immer mehr, dass Konflikte gleich beim Auftreten angesprochen und geklärt werden – weil die Angst davor, sie anzusprechen, Stück für Stück weggefallen ist.
Dass Konflikte wirklich geklärt werden und nichts hängen bleibt, hängt dabei von der Qualität der Moderation ab. In unserem Fall ist es von Vorteil, dass ich, bevor ich soulbottles gegründet habe, intensiv Mediations- und Kommunikationsausbildungen gemacht habe, und als Coach und Trainer für Gewaltfreie Kommunikation (GFK) selbstständig war (siehe meinen alten persönlichen Blog).
Gründern oder Teamleitern würde ich daher auf jeden Fall eine Grundausbildung in Gewaltfreier Kommunikation empfehlen, das ist in meiner Erfahrung der schnellste und gründlichste Pfad für die Ausbildung der dazu notwendigen Fähigkeiten, und noch wichtiger: der inneren Haltung.
Die persönliche Ebene bringen wir auch in unsere wöchentlichen All-hands-meetings, jedoch nur zu einer kurzen Check-In-Runde – „Wie geht’s mir gerade? Wie bin ich hier?“ - mit der Intention, das dann loslassen zu können und sich 100% auf das Meeting konzentrieren zu können. Dadurch, dass die Emotionen damit ihren dezidierten Platz haben, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie sich in die Sachebene mischen, und dadurch die Effektivität des Meetings verringern. Die Wahrscheinlichkeit von Ego-Trips sinkt. Das gemeinsame Vorankommen tritt in den Vordergrund.
2) Führungskultur
Du kannst deine Unternehmenskultur am Reißbrett konstruieren so viel du möchtest, in der Realität bekommst du die Unternehmenskultur, die du als Gründer lebst. Wenn du ein Problem mit Geld hast, wird deine Organisation höchstwahrscheinlich ein Problem mit Geld haben. Hast du Angst vor Konflikten, wird deine Organisation höchstwahrscheinlich Angst vor Konflikten und daher mit eskaliert aufbrechenden Konflikten kämpfen, statt sie schon früh geklärt zu haben. Hast du Angst vor persönlichem Wachstum, trittst du auf der Stelle, und deine Organisation wird höchstwahrscheinlich auf der Stelle treten, weil du sie bremst, statt mit ihr mit zu wachsen.
„Entweder du wächst mit deiner Organisation, oder deine Organisation wächst dir über den Kopf“, sagt Stefan Merath, der mit Abstand beste Unternehmercoach, den ich kenne. Seine Bücher sind übrigens trotz fragwürdiger Titel der Wahnsinn – und nein, wir verdienen jetzt nichts daran, wenn du eines von ihm kaufst. ;)
Das heißt nicht, dass ich glaube, dass mir eine Organisation „gehören“ kann. Absurdes Konzept eigentlich. Es ist jedoch auf jeden Fall so, dass wenn du eine Organisation startest, egal ob for-profit oder non-profit, du den Rahmen und die Kultur vorgibst. Und das nicht durch deine Theorien, sondern durch dein reales Verhalten im Alltag.
Für mich und uns ist es daher eine besonders wichtige Aufgabe, sich immer 100% authentisch zu zeigen. Verletzlich, schwach, unsicher und traurig, genauso wie stark, enthusiastisch, zuversichtlich und glücklich. Je nachdem, was gerade wirklich lebendig ist in mir, in uns. Das signalisiert allen anderen „das hier ist ein Ort, in dem ich mich zu 100% zeigen kann“. Das heißt nicht, dass alle das sofort tun. Aber je länger und konsequenter ich das tue, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass andere sich im Unternehmen entspannen und sich trauen, sich voll zu zeigen.
Ich erinnere mich noch an das eine Personal Relations Meeting vor ein paar Monaten, in dem ich auf die erste Frage hin Folgendes erzählte:
„Ich fühl mich gerade ziemlich zerbrechlich und dünnhäutig. Ich war gerade noch im Bioladen einkaufen und hab da mitbekommen, wie eine Mutter mit ihrem Kind umgegangen ist. Der kleine Junge wollte gerade wegrennen, und die Mutter hat es mit Festhalten und Androhen von Konsequenzen daran gehindert. Ich sah die unheimliche Kälte in ihren Augen. Ich hörte die Schreie des Jungen und konnte so gut nachvollziehen, dass er von dieser Unbarmherzigkeit und Zwangwelt weglaufen wollte. Was mich aber wirklich getroffen hat, war die Hilflosigkeit und tiefe Erschöpfung, die ich hinter der Kälte der Mutter sehen konnte. Ich bin aus dem Bioladen rausgegangen und hab angefangen zu heulen. Ich fand das so traurig, so tragisch, dass in der Situation Mutter und Sohn beide wahnsinnig verloren haben. Keiner von beiden hat bekommen, was er oder sie gebraucht hätte. Weder Verständnis, noch Leichtigkeit, noch Verbindung.“
Und selbst beim Erzählen kamen mir wieder die Tränen. Als ich aufblickte sah ich in lauter mitfühlende, liebevolle Gesichter mit leuchtenden Augen. Fuck, was für eine power. Mit Leuten zu arbeiten, die einen in so Momenten, die jetzt erstmal nichts mit dem Team oder der Arbeit zu tun haben, zu 100% annehmen.
Und jetzt denkst du dir vielleicht: Uuuuuuh, Selbsterfahrungs-bla-bla, die sitzen jetzt den ganzen Tag im Kreis, beschmeißen sich mit Watte und kriegen nichts gebacken.
Wenn du das denkst, bist du wieder im Entweder-Oder gefangen. Was glaubst du, wie viel Leidenschaft für die gemeinsame Tätigkeit freigesetzt wird, wenn man solche kraftvollen, emotional verbindenden Erfahrungen teilt? Was glaubst du, wie viele Fehler wir als Organisation vermeiden, wenn jede*r sich sicher fühlt, zu sagen, wenn er*sie Mist gebaut hat, oder überfordert ist, und um Unterstützung bittet? Was glaubst du, wie viel mehr Spaß es macht, mit Menschen zusammen zu arbeiten, denen man so etwas erzählen kann? Wie sehr die Lebensqualität steigt?
Im Wissen: „Wie viel Stärke braucht es eigentlich, sich schwach und verletzlich zu zeigen?“
Und wir können auch ziemlich “hart” zueinander sein. Wir legen großen Wert darauf, unangenehmes Feedback auszusprechen und anzunehmen. Sich davon berühren zu lassen und daraus zu lernen, statt in die „Was denkt die, wer sie ist? Ich bin hier der Chef!“-Falle zu treten. Das zu Tage treten von Konflikten auszuhalten und voll in die Klärung zu gehen. Hartnäckig dranzubleiben. Nicht fordernd, aber beharrlich. Im Wissen, dass jeder Konflikt auf ungenutztes kreatives Potential hindeutet. So eine Härte geht nur, wenn du auch die “soften” Seiten voll lebst.
3) Einstellungskriterien
Um diese Kultur zu stärken ist es wichtig, Leute einzustellen, die a) darauf wirklich zu 100% Lust haben und die b) imstande sind, diese Kultur mitzutragen. Je weiter sie in ihrer eigenen persönlichen Entwicklung also sind, desto besser. Deswegen ziehen wir Menschen vor, die entweder schon 1-2 Jahre Therapie hinter sich haben oder zum Beispiel eine GFK-Intensivausbildung (siehe oben) gemacht haben.
Links-Oben
1) Be the Change
Die Integration des Links-Oben-Quadranten heißt für uns vor allem, dass die innere Arbeit wichtiger Bestandteil und wichtige Voraussetzung dafür ist, wirklich effektiv zur Entstehung der grünen, gerechten und glücklichen Welt beizutragen. Das mittlerweile ziemlich abgegriffene „Be the change you want to see in the world“-Zitat von Gandhi ist halt leider immer noch wahr.
Ein Teil dessen ist, dass Paul und ich als Gründer großen Wert auf unsere eigene persönliche Weiterentwicklung legen, ein anderer Teil, dass wir versuchen, Stück für Stück als Team einzuüben, uns immer ehrlicher und klarer gegenseitig Feedback zu geben, um uns gegenseitig in unserer Entwicklung zu unterstützen. Im Personal Relations Meeting geben wir diesem Aspekt deswegen auch dezidiert Raum.
Wir verwenden außerdem Firmenressourcen für die oben erwähnte, intensive GFK-Ausbildung aller fest angestellten Mitarbeiter. Und wir schauen, dass die Leute, die wir einstellen schon so weit wie möglich im „Kooperation, Fülle, Leichtigkeit, Mitgefühl, Vertrauen“-Paradigma drin sind, und die klassischen „Konkurrenz, Angst, Jeder-gegen-jeden, Kampf, Rückzug“-Muster, mit denen wir in unserer Gesellschaft aufwachsen, so weit es geht innerlich transformiert haben.
Das geht leider nicht immer ganz so, wie wir es gerne hätten, weil zum Beispiel in die oben erwähnte Therapie zu gehen für viele immer noch heißt, dass mit ihnen etwas nicht in Ordnung wäre. Dabei sind wir alle eigentlich prinzipiell voll in Ordnung. Unsere Gesellschaft spielt uns jedoch durch Schule und Glaubenssätze wie „Indianer kennt keinen Schmerz“ ein mentales Betriebssystem auf, das auf blindes Funktionieren ausgerichtet ist, aber nicht darauf, unser volles Potenzial zu leben.
Das ist wie als wenn du auf ein hochgezüchtetes iPad heutzutage MS DOS draufspielen würdest. Der Rechner läuft, aber nutzt nur 1% seiner Leistungskapazität, alles ist grau und mühsam, und zwischendurch stürzt alles ab. Als Mensch heißt dieses grau-mühsam-alles-stürzt-ab dann Depression oder Burn-out.
Und unser volles Potenzial als mitfühlendes, in tollen Beziehungen lebendes, glückliches, zum Wohle der Welt so viel es geht beitragen wollendes Wesen verkümmert.
Mit sowas wie GFK spielt man dann in meiner Erfahrung sowas wie iOS7 drauf. Alles ist bunt, es laufen ganz andere tolle Programme und Spiele, und es stürzt viel seltener ab. Das Leben ist viel tiefer und macht mehr Spaß. (Sorry für die Apple-Metapher, das heißt nicht dass ich Apples Unternehmenspolitik und vor allem seine Produktionsbedingungen gut finde – im Gegenteil.)
Zu „Being the Change“ gehört auch die immer wiederkehrende Überprüfung der eigenen inneren Haltung. Wo zumindest ich selbst immer wieder überprüfe: Handle ich aus Vertrauen und Füllebewusstsein oder aus Angst und innerer Enge?
Falls ich aus Angst und innerer Enge handle, was ich zum Beispiel daran erkenne, dass ich fetten inneren Stress entwickle und mehr als 40h/Woche arbeiten möchte, oder dass ich wütend auf Leute in meinem Team werde, versuche ich mit einer gehörigen Portion Selbstempathie und Selbstakzeptanz davon wieder runter zu kommen.
Das heißt nicht, dass ich das immer schaffe, oder das immer früh genug merke. Wichtig ist nicht, es perfekt zu machen, sonder vor allem das Commitment, es immer wieder zu versuchen und die Bereitschaft, dadurch eskalierte Konflikte wieder aufzuräumen.
2) Überprüfe, wie die Werte zusammen passen
Du kannst ein Pferd zum Wasser führen, du kannst es aber nicht zwingen, daraus zu trinken. Wir lassen in unser Team nur Menschen, die trinken möchten. Das heißt, dass sie einen starken Drang haben, sich selbst weiter zu entwickeln, der nicht nur erzählt wird, sondern auch an ihrem Lebensweg erkennbar ist. Und das heißt, dass wir auch überprüfen ob sich ihre Grundwerte und grobe Lebensvision von sich selbst (wenn sie denn eine haben, was von Vorteil ist) mit soulbottles vereinbaren lässt.
Wessen Hauptziel im Leben ist, schnell reich zu werden und nach 5 Jahren bis an sein Lebensende Mai Tais am Strand in Bali zu trinken, muss uns schon sehr stark davon überzeugen, dass das zu uns passt. Wobei wir, bis auf die horrende CO2-Bilanz, nichts dagegen haben, hin und wieder in Bali Mai Tais zu trinken. ;)
Rechts-Oben
All diese innere Arbeit bleibt jedoch mentale Onanie, wenn sie sich nicht irgendwann auch in der Veränderung der eigenen Fähigkeiten und Handlungen ausdrückt.
Die Grundfähigkeiten und -aktivitäten, um die es uns geht, sind, ohne besondere Reihenfolge, die folgenden:
1) Mit Übersicht und stressfrei alle Aufgaben auf den eigenen Schultern erledigt bekommen
Mit Übersicht regelmäßig die eigenen Prioritäten analysieren und an äußere und innere Veränderungen anpassen. Dadurch früh merken, wenn die Aufgaben so anwachsen, dass sie einem zu viel werden, und dementsprechend agieren. Das heißt, dass man die Aufgaben entweder sein lässt oder sich zusätzliche Mitarbeiter organisiert. Uns hilft dabei die Getting Things Done Methode von David Allen. Das Buch darüber ist unsere dringende Empfehlung an alle, die zu viel Stress und zu wenig Zeit haben. Eine saubere Umsetzung der Erkenntnisse in dieser Methode wird dein Leben retten. Echt jetzt.
2) Anderen Menschen gegenüber Empathie und urteilsfreie Ehrlichkeit aufbringen.
Auch wenn man sich selbst angegriffen fühlt. Zum Beispiel, wenn man als “gerissener Geschäftsmann“ gesehen wird.
3) Immer wieder die eigene Angst herausfordern.
Auf der „Fill Your Life With soul“-soulbottle, die ich designt habe, steht unter anderem der Satz „If it scares you, it might be worth doing.“ Beim Schreiben dieses Artikels wollte ich sehr viel öfter weglaufen und mich verkriechen als bei allen anderen Tätigkeiten dieser Woche zusammen. Das ist nicht das Angenehmste, aber es zeigt mir, dass hier auch, zumindest für mich persönlich, eines der größten Wachstumspotenziale liegt. Deswegen atme ich tief durch und versuche weiter zu schreiben.
Aufgrund der aktuellen Wachstumsgeschwindigkeit von soulbottles haben alle im Team mehr als genug Gelegenheit, regelmäßig neue Aufgaben zu übernehmen, die sie noch nicht 100% können, sich dabei ihren Ängsten zu stellen und weiter zu entwickeln. Manchmal ein bisschen zu viel, wenn ich ehrlich bin. Aber wo soll man wissen, wo Grenzen sind, wenn man sie nicht testet?
4) Dem eigenen Wohlbefinden Priorität einräumen.
Um eine neue Kultur zu bauen, brauchst du genug Raum zur Reflektion, zum zur Ruhe kommen und nachspüren, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind. Oder ob wir wieder unbewusst konventionellen Überzeugungen folgen, die uns daran hindern, das Leben noch voller zu leben. Dafür sind genug Pausen und genug Beziehungs- und Erholungszeit sehr wichtig.
Das heißt nicht, dass wir uns nur erholen, um dann noch effizienter arbeiten zu können, auch wenn das eine der erfreulichen Konsequenzen von genug Ruhe ist. Ruhe und Erholung sind auch ein Wert an sich. Wir leben nicht um zu arbeiten. Wir arbeiten, gerne auch sehr effizient, was Geiles als Teil eines geilen, sinnerfüllten Lebens.
5) Unangenehme Aufgaben leicht und spielerisch machen.
Nicht alle Aufgaben machen sofort Spaß. Produktivität ist oft das Geheimnis, unangenehme Tätigkeiten angenehm zu machen. Zum Beispiel eine stupide Tätigkeit wie Getreide per Hand zu mahlen.
Und je nach Aufgabe bei soulbottles gibt es dann noch die fachlichen Fähigkeiten, in denen es Sinn macht, sich regelmäßig Zeit zu blocken, um seine Fähigkeiten zu erweitern.
Rechts-Unten
Wenn eine neue Haltung im Miteinander sich nicht auch in neuen Strukturen äußert, steht dieses neue Miteinander immer in der Gefahr, von der Marschrichtung der bestehenden Strukturen wieder überrollt zu werden. Viele alternative Projekte und Bewegungen können davon ein Lied singen. Am Ende siegt dann doch der Sachzwang, oder die rechtliche Lage. Zumindest wenn man sich nicht damit beschäftigt hat, die Sachzwänge zu integrieren und damit zu transformieren.
Da wir die letzten 2 Jahre vor allem damit beschäftigt waren, aus soulbottles ein sich selbst tragendes, Gewinn erwirtschaftendes Unternehmen zu machen, haben wir hier noch fast am meisten Entwicklungspotenzial.
Entscheidungsstrukturen
Was für uns schon klar ist, ist dass weder klassische Hierarchie, noch Basisdemokratie für uns funktionieren. Anfang Oktober führen wir daher Holacracy ein, ein Organisationssystem, das die Vorteile von Hierarchie und Basisdemokratie in sich vereint, ohne deren Nachteile zu übernehmen.
Das heißt: Schnelle Entscheidungen und wirkliche Einbeziehung aller da wo es wichtig ist, mit guter und klarer Aufgabenverteilung, und ohne Machtkämpfe oder den Gewinn von Entscheidungsprozessen durch die mit dem größten Sitzfleisch. Damit werden wir nicht am Ziel sein, aber es ist ein wichtiger Schritt in einer gemeinsamen Forschung wie Demokratie, Effizienz und Verlässlichkeit sich gegenseitig befruchten können. Diese gemeinsame Forschung wird uns wahrscheinlich die nächsten Jahre begleiten.
Gewinnorientierung als Mittel
Aber Moment, sagst du, wenn ihr die Welt verbessern wollt, wieso seid ihr dann eigentlich gewinnorientiert?
Dazu gibt es zwei Antworten:
Die Rechts-Unten-Antwort: Wir sind zwar rechtlich als soulbottles eine gewinnorientierte GmbH, aber von der Ausrichtung her wirkungsorientiert. Gewinn zu erzielen ist ein sehr hilfreiches Mittel, um die eigene positive Wirkung auf die Welt zu erhöhen, vor allem wenn der Weg, wie du den Gewinn erzielst, schon eine positive Wirkung auf die Welt hat. Da soulbottles Plastikproduktion und CO2-Ausstoß verringern, mehr Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser geben und Menschen gesünder machen, durch die Abwesenheit von Weichmachern und durch die Erinnerung, genug zu trinken, ist das ja bei uns der Fall. Ein funktionierendes Geschäftsmodell gibt uns auch die Ressourcen, allen unseren Mitarbeitern intensive Weiterentwicklung zu finanzieren. Was wiederum unsere Zahlen langfristig verbessern wird – wobei die Verbesserung der Finanzen wiederum nicht das Hauptziel ist.
Konkret heißt das, dass wir uns, sobald sie in Europa umsetzbar ist, auch die neu entstandene Rechtsform der B Corp anschauen, die laut erster Einschätzung dieser Ausrichtung sehr viel mehr entspricht.
Die Links-Oben-Antwort: Geld ist nichts per se Schlechtes, Geld ist nur ein Mittel. Und auch nicht das entscheidende für unternehmerischen Erfolg. Geld ist nur, was du darauf projizierst. Das klingt jetzt esoterisch und komisch, aber es ist so, und würde einen ganz eigenen Artikel füllen, deswegen hier fürs erste nur der Hinweis auf das beste Buch zu dem Thema, mit dem beknacktesten Titel: 30 dreiste Lügen über Geld. Ich hab den Autor persönlich in einem Seminar kennengelernt und kann nur sagen: Der Typ und das was er lehrt sind super und werden dich in deinem Umgang mit Geld wahnsinnig befreien.
Eigentumsstrukturen & Gewinnausschüttungen
Aktuell sind Paul und ich noch Haupteigentümer der Firma soulproducts GmbH, und wir könnten uns miteinander ausmachen, dass wir den gesamten Gewinn jedes Jahres unter uns und den restlichen Gesellschaftern verteilen. Was wir nicht tun werden, aber wir könnten es. Für mich als Gründer finde ich Gewinnausschüttungen und die Vorstellung, dass mir eine Organisation „gehört” letztlich ein absurdes Konzept. Klar, ich möchte so viel Geld verdienen, dass ich all meine Bedürfnisse gut erfüllen kann. Aber brauche ich wirklich mehr als die 60.000€ netto im Jahr, ab denen Verdienstzuwächse keine Zufriedenheitszuwächse mehr bedeuten? Vor allem wenn ich es anderen in der Organisation damit schwerer mache, auf ihre 60.000€ netto im Jahr zu kommen? Ich glaube nicht.
Klar, ich spüre eine große Verantwortung dafür, dass die Organisation, die ich angestoßen habe, gut funktioniert und die Welt ordentlich schöner macht. Aber das erwächst aus meiner Haltung zur Welt (Links-Oben) und nicht daraus, dass es einen Zettel gibt, der mir so und so viel Prozent der Firma zuspricht (Rechts-Oben). Und wenn ich nicht ganz das Maximum verdiene, aber wir dadurch mehr finanzielle Ressourcen haben, neue Unternehmen anzustoßen, die die Welt noch grüner, gerechter und glücklicher zu machen, macht mich das viel glücklicher als das ein neues Auto tun würde.
Wie setzen wir das strukturell um?
Der aktuelle Plan ist, dass wir 2015 eine Dachfirma gründen, die Paul und mir gehört, in der aber im Gesellschaftsvertrag festgehalten wird, dass Gewinnausschüttungen nur stattfinden können, wenn alle Mitarbeiter*innen, die länger als 6 Monate bei einer der Tochterfirmen arbeiten, ihr Einverständnis dazu geben. Die Dachfirma hat dann Anteile an allen Unterfirmen, sei es soulbottles oder alles, was uns sonst noch so einfällt.
In die Tochterfirmen können auch externe Investoren einsteigen, damit wir uns diese Möglichkeit nicht prinzipiell verbauen, durch Wachstum oder mehr Entwicklung zur Wirkungssteigerung einer Tochterfirma beizutragen. Aber da wir keinem Investor die Mehrheit über eine Firma geben werden (auch das können wir schriftlich festhalten), kommen alle eventuellen Gewinnausschüttungen der Tochterfirmen zum Großteil der Dachfirma zu, die diese Mittel zum Aufbau weiterer geiler Tochterfirmen verwenden kann. So dass wir irgendwann hoffentlich keine externen Investoren mehr brauchen.
Langfristig können wir uns auch vorstellen, unsere Anteile an der Dachfirma in eine Stiftung oder eine Genossenschaft zu überführen, die den Mitarbeiter*innen gehört. Uns ist vor allem wichtig, dass die Anteile an der Dachfirma nicht korrumpiert werden können, und nicht dann doch durch die Hintertür das Profitstreben als Hauptziel wieder reingeschlichen kommt. Da hört sich für uns die Perspektive erstmal ganz gut an, für die nächsten Jahre als „Hüter der Vision & Grundwerte“ zu fungieren. Vor allem, da wir wirtschaftlich davon nicht direkt profitieren. Aber wir sind auch für Vorschläge, das noch sinnvoller zu gestalten, sehr offen. Zum Beispiel per Kommentar unten oder per E-Mail an mich.
Das Wirtschaftssystem
Auch dieses Thema würde einen eigenen Artikel rechtfertigen, daher hier nur ganz kurz: Wir möchten so viel wir können dazu beitragen, dass in unserem Wirtschaftssystem der Gewinn wieder nur Mittel und der Zweck von Unternehmen der Beitrag zum Gemeinwohl wird. Daher werden wir als ersten Schritt, sobald wir die Ressourcen haben, auch offizielle Unterstützer der Gemeinwohlökonomie werden und eine Gemeinwohlbilanz erstellen.
Die Gemeinwohlökonomie wird nicht alle Probleme der Welt auf einmal lösen. Aber sie ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Mitarbeiter
Aber auch hier gilt: Die Struktur kann noch so auf Kooperation ausgerichtet sein, wenn sie von Menschen gefüllt wird, die noch in Konkurrenz denken und von Angst sowie oberflächlichem Sicherheitsstreben getrieben werden, wird sich die Struktur wieder langfristig in Richtung Hierarchie oder Autokratie bewegen und die Kultur in Macht- und Verteilungskämpfen untergehen. Das heißt, dass die innere Arbeit wichtiger Teil der Struktur ist, damit diese wirklich mit Leben gefüllt werden kann.
Was habe ich gegen Sicherheitsstreben, fragst du?
Erst einmal garnichts. Ich möchte dir nur folgende Sichtweise anbieten:
Es gibt 2 Hauptwege, sich sein Sicherheitsbedürfnis zu erfüllen. Der eine ist, sich im Außen so stabile Strukturen wie möglich zu schaffen. Ein sicherer Job, ein eigenes Haus, ein Partner, der ganz sicher bei einem bleibt, auch wenn er vielleicht nicht so aufregend ist. Der andere ist, seine innere Kapazität und Fähigkeiten zu entwickeln, mit Unsicherheit umzugehen.
Den ersten Weg bezeichne ich als oberflächlich, denn:
In einer Welt, in der sich die Geschwindigkeit von Veränderungen immer mehr beschleunigt, macht die zweite Strategie in meinen Augen sehr viel mehr Sinn. Die lebenslang sicheren Jobs gibt es nicht mehr. Wer mit Unsicherheit gut umgehen kann, ist den großen Veränderungen sehr viel besser gewachsen. Und selbst die ach so stabilen Lebensumstände können heutzutage von einem Tag auf den anderen zusammenbrechen. Schau dir nur mal all die Menschen an, die in der letzten Finanzkrise im Bankensektor ihren Job verloren haben. Ein Bereich der als unglaublich sichere Goldmine galt. Wem in so einer Situation nicht gleich emotional der Boden unter den Füßen weggezogen wird, sondern sie als Entwicklungschance begreift, hat bessere Chancen auf ein glückliches Leben.
Bonus-Quadrant: Das Papier auf dem die 4 Quadranten stehen
Die Basis aller unserer Entwicklung in den 4 Quadranten bildet unsere langfristige Vision. Sie lautet:
Wenn wir in 50 Jahren den Wandel zur grünen, gerechten und glücklichen Welt geschafft haben, werden sie in den Geschichtsbüchern schreiben:
“Ohne die soul-organisations hätten wir es vielleicht nicht geschafft.“
Dazu möchten wir das Prinzip des „die nachhaltigste Alternative in einem Konsumbereich cool, sexy und komfortabel machen“, das bei soulbottles so gut funktioniert, Stück für Stück auf andere Konsum- und Dienstleistungsbereiche ausweiten. Wie sonst soll nachhaltiges Verhalten mainstream werden?
Ja, das hört sich riesig und verrückt an. Aber es setzt auch so wahnsinnig viel Energie frei, persönlich, emotional, finanziell, dass wir es vielleicht sogar schaffen können.
Epilog
Das waren jetzt sehr viele Worte. Hoffentlich waren es inspirierende Worte.
Eigentlich ist es ganz simpel: Wenn du darauf schaust, dass es in allen 4 Quadranten gleichmäßig vorangeht, geht’s insgesamt exponentiell viel schneller voran, als wenn du dich nur auf einen Quadranten konzentrierst. Du hast mehr Geld, mehr Spaß und mehr Wirkung. Dir geht’s besser, der Welt geht’s um ein Vielfaches besser. Und das ist eigentlich ziemlich geil, oder? :)
Ich freue mich, von dir in den Kommentaren zu hören, was du dazu denkst – und fühlst. ;)
Fußnoten
*Der Kommentar war auf der Facebook-Seite eines soulbottles-Händlers – der Mehrpreis von 2,50€ gegenüber unserem Online-Shop-Preis kommt daher, dass er in Österreich ist, und wir unseren Händlern keine Fixpreise vorgeben. Autonomie für unser Partner ist uns wichtig. Unsere Rahmenbedingung ist nur, dass sie den Preis von 24.90€ nicht unterschreiten, damit die Wertigkeit des Produkts nicht in Zweifel gerät.
** Hier die 5 Fragen, die wir beim Personal Relations Meeting in Runden durchgehen:
Was gibt’s generell (vor allem auf persönlicher Ebene) zu Feiern und zu Bedauern aus den letzten 2 Wochen – auch bzgl. was ich anderen im Team gegenüber getan oder nicht getan habe?
Wo hat mich etwas, das andere hier im Raum getan haben frustriert? Wo habe ich einen Konflikt mit jemandem?
Hiermit angesprochene Konflikte werden mit Unterstützung der Moderation gleich geklärt. Je nach Tiefe des Konflikts kann das zwischen 5 Minuten und einer Stunde dauern.
Wo hat mich etwas, das andere hier im Raum getan haben erfreut / mir Bedürfnisse erfüllt?
Was sind meine Herausforderungen aktuell im persönlichen Wachstum? Wo würde ich gerne hin? Was für Unterstützung könnte ich dafür gebrauchen?
Feedbackrunde/Schlussrunde – wie war’s für mich? Was würde ich an dem Meeting ändern?
Für den Anfang, das heißt wenn in deinem Team noch nicht die Mediationskompetenz ist, die das halten kann, helfen jedoch auch die folgenden Fragen, die am besten jede*r Teilnehmer*in des Meetings ausgedruckt in der Hand hält:
An die Person, die einen Konflikt anspricht (Person A): Was möchtest du darüber ausdrücken, wie es dir mit der Situation geht, und von wem möchtest du darin gehört werden?
An Empfänger (Person B): Was hast du gehört? Was ist angekommen?
An Person A: Ist es das, worin du von Person B gehört werden wolltest? Falls nein: Worin möchtest du wirklich gehört werden?
Durch Fragen 2-3 spielst du so lange den Ball hin- und her, bis auf Frage 3 die Antwort „ja“ und eine Entspannung eintritt. Das kann manchmal sehr oft hin- und hergehen, in seltenen Fällen sogar bis zu 40 oder 50 mal. Lass dich davon nicht aus der Ruhe bringen und vertraue dem Prozess.
Wenn ein „ja“ kommt, ohne dass sich etwas im Konflikt geklärt hat, fragst du entweder „Person A, gibt es etwas, worin du noch zusätzlich gehört werden möchtest?“.
Oder du belässt es erstmal dabei, in der Erkenntnis, dass es manchmal seine Zeit braucht, bis das Vertrauen da ist, dass man auch unangenehme Dinge ansprechen kann. Dieses Vertrauen wächst am Schnellsten und Nachhaltigsten, wenn man auch diejenigen, die Angst haben, unangenehme Dinge anzusprechen, darin voll akzeptiert und nicht „pusht“. Hüte dich genauso vor dem neuen Extrem des „Alle Konflikte MÜSSEN SOFORT geklärt werden.“ wie vor dem klassischen Extrem „Es gibt garkeine Konflikte, also macht es keinen Sinn, ihnen dezidiert Raum zu geben.“ Denn, News-Flash: Sobald 3 Menschen mehr als 5 Minuten in einem Raum sind, gibt es einen Konflikt, so subtil er auch sein mag. Auch bei „erleuchteten“ Menschen. Du hast nicht die Wahl, ob es Konflikte gibt, sondern nur, wie du mit ihnen umgehst.